Beate Slansky
Über die Arbeit

Auf den ersten Blick sehen meine großformatigen Leinwände einfarbig aus. Doch bei längerer Betrachung kann man in der scheinbaren Monochromie viele unterschiedliche Farbschattierungen und schemenartige Gebilde ausmachen. Die Bilder bestehen aus unzähligen Schichten dünner, mit Rolle aufgetragener Farblasur. Ganz zuunterst und als ersten Schritt sprühe ich mit der Airbrushpistole Schatten, Spuren, Schemen – schon diese mehr unscharfe Gesten als klar umrissene Form. In den folgenden Arbeitsschritten werden diese Schatten mehrfach übermalt. Bei manchen Bildern löse ich die aufgetragene Lasur mit Schwamm oder wassergetränktem Pinsel wieder an und lege frei, was ich gerade mit einer Farbschicht bedeckt habe. Unregelmäßigkeiten im Farbauftrag, beim Trocknungsprozess und im Malgrund entscheiden darüber, was am Ende sichtbar bleibt und wie der nächste Schritt im Malprozess aussieht. Nach und nach entsteht ein Bildraum von großer Tiefe. Alle malerischen Handlungen und die in ihnen fixierte Zeit sind gleichzeitig sichtbar, der Anfang ebenso wie die letzte und oberste Bildschicht.

Meine künstlerische Arbeit ist eine Erkundung des schmalen Grats zwischen Reduziertheit und Präsenz. Ausgangspunkt bildet die Beschäftigung mit Musik. Jedes klangliche Ereignis ist durch seine Chronologie gekennzeichnet. In der Malerei dagegen kommt Zeit meist nur als Augenblick oder als simultanes Erleben zeitlich abweichender Ereignisse vor (wie oben beschrieben). Mich interessieren die Momente, in denen Malerei eine Erfahrung chronologischen Nacheinanders provoziert, die Annäherung an das Bild sich als eine Abfolge von Ereignissen gestaltet. Ich bediene mich dazu eines musikalischen Topos des Nicht-Klangs, der Stille. In dieser maximalen Reduktion des klanglichen Ereignisses liegt für mich die Überschneidung zur Malerei. Dort kippt Zeit- in Raumerfahrung und umgekehrt. Dort stiftet Reduziertheit eine wahrnehmbare Gegenwart in Form eines Dialogs zwischen Betrachter und Bild (Hörer und Werk) und als ein Zwiegespräch des Betrachters (Hörers) mit sich selbst.

Ich möchte mit meinen Bildern den Betrachter betreffen, ihn angehen, „anfassen“. Die Bilder beziehen ihre faktische Präsenz aus der engen Beziehung, die sie mit der Wand, an der sie hängen, eingehen, aus dem Licht, das ihre Farbigkeit je unterschiedlich sichtbar macht und aus eben der Person des Betrachters, der sich seiner Dimension in Bezug auf die Bildfläche und seiner Position im Raum ganz unmittelbar bewußt wird. Das reduziert erscheinende Repertoire der Bildfläche verweist sogleich wieder von sich weg auf das persönliche Erleben des Betrachters. Die Leinwand bildet eine Schwelle (seuil) zu einem Raum, in den man sich hineinversetzen kann. Sie dient als Einstieg in die Begegnung mit dem eigenen Imaginations- und Denkraum.
(März 2017)

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