Beate Slansky
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Wir leben in einer Zeit, in der das Gedächtnis überlastet ist und unsere Erinnerungen drohen wahllos zu werden, in der Nachrichten und Bilder den Menschen immer schneller und zahlreicher überfluten und der Computer in der Lage ist, ein Vielfaches der Gedächtnisleistung eines Menschen (und vor allen Dingen in kürzerer Zeit) zu erbringen. Eine Zeit, in der Vergangenheit überbewertet wird, da Menschen sich hauptsächlich über ihr Gewordensein definieren und Erinnern als eine anthropologische Eigenschaft des Menschen definiert wird, als „kulturelle Elementarfunktion“. „Am engen Zusammenhang zwischen [...] Erinnerung und Kultur wird bis heute festgehalten, denn Kultur geht über die reine Gegenwart hinaus, kann
gleichsam als Bezugssystem zwischen der Vergangenheit, dem Selbstverständnis der Gegenwart und den Erwartungen bzw. Maßgaben für die Zukunft beschrieben werden. Dieses Kulturverständnis impliziert, dass man sich dank der Erinnerung in der Zeit zu orientieren weiß, dass man der Erkenntnis fähig ist, die man sich als Welt- und Selbstverständnis aneignen kann.“

Es ist jedoch gerade jetzt auch wichtig, das Vergessen zu thematisieren. Die Kulturwissen-schaften haben es bislang entweder gar nicht oder in unzureichender Weise meist als ein in der Logik der Erinnerung stehendes Phänomen erörtert, das entweder Gedächtnis ermöglicht oder sich dem Gedächtnisprozess als negative, zu überwindende Kraft entgegenstellt. „Das Vergessen scheint als Unterbrechung einer Ordnung, einer Identität, als Katastrophe des Gedächtnisses, die selbst wiederum nur durch Erinnerung überwunden werden kann.“ Man sieht das Vergessen als eine gleichsam selbstverständliche Größe an, die man einfach vernachlässigen oder jedenfalls einer vergleichsweise simplen Dialektik überlassen kann.

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